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Ratgeber Psychologie 45– 2024

Cora Burgdorfer
dipl. Psychologin
Oekum. Paarberatung Bezirke Brugg Laufenburg Rheinfelden
www.oekberatung.ch

Co-Narzissmus
Sicher ist Ihnen der Begriff «Narzissmus» geläufig. Von Narzissmus spricht man, wenn jemand stark auf sich selbst bezogen ist, sich als grandios erlebt, ein übergrosses Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Wertschätzung hat und wenig Empathie-Fähigkeit besitzt. Eine Person mit stark narzisstischen Persönlichkeitszügen neigt dazu, andere Menschen zu entwerten, um sich dadurch selbst überlegen zu fühlen. In der Diagnostik wird die narzisstische Persönlichkeitsstörung als eine andauernde und grundlegende Störung des Selbstwertgefühls bezeichnet. Die Ursache von Narzissmus ist einerseits genetisch, andererseits auch sozial erlernt, wenn Eltern ihre Kinder vergöttern und sie für etwas ganz Besonderes halten, oder auch in Familien mit wenig emotionaler Wärme. Die Persönlichkeitsstörung wird zu 75 Prozent bei Männern diagnostiziert. Häufig sind diese Personen auf den ersten Blick sehr schillernd, interessant und charismatisch, und deshalb auch sehr attraktive Partner oder Partnerinnen. Zu Beginn einer Partnerschaft zeigen sich diese Menschen äusserst interessiert, charmant, aufmerksam und überschwänglich. Sie können schnell, intensiv und euphorisch sein und schaffen es so, das Gegenüber für sich einzunehmen. Eine emotionale Abhängigkeit steht aber schon früh im Raum. Sie wollen begehrt werden und schaffen eine Atmosphäre von Leidenschaft und Einzigartigkeit. Je länger die Beziehung andauert, desto mehr verlieren sie das Interesse und beginnen zu kritisieren, zurückzuweisen und in die Distanz zu gehen. Wenn der andere Part dies anspricht, gelingt es den narzisstischen Menschen, dank einer rhetorischen Überlegenheit jegliche Verantwortung von sich zu weisen. Der Spiess wird im Gegenteil umgedreht. Narzisstische Personen sind schnell gekränkt und launisch, sie handeln nach ihren eigenen Regeln und reagieren aggressiv und rücksichtslos, wenn ihre Erwartungen nicht erfüllt werden. Warum also bleiben so viele Partnerinnen oder Partner in einer solch toxischen Beziehung?
Von Co-Narzissmus spricht man bei Personen, die süchtig danach sind, geliebt und gebraucht zu werden. Sie sorgen sich um das Wohl des Anderen und verlieren sich dabei immer mehr. Meist gehen sie den Konflikten aus dem Weg, weil sie die Erfahrung gemacht haben, dass es nur noch schlimmer wird, wenn sie ein Thema ansprechen. Sie können schwer Grenzen setzen und werden zunehmend emotional abhängig. Sie nehmen ihre Bedürfnisse immer mehr zurück und passen sich an. Darunter liegt eine grosse Angst vor dem Verlassen werden. So setzen sie alles daran dies zu vermeiden. Sie lassen sich vieles gefallen und können nicht Nein sagen. Dadurch wiederum fühlt sich der narzisstische Mensch bestätigt und macht weiter.
Von Co-Narzissmus Betroffene erkennen ihren eigenen Anteil oft erst nach einer langen Leidenszeit und es fällt ihnen schwer aus ihrem stabilen Unglück auszusteigen. Auch wenn der Freundeskreis oder die Familie dies schon lange sieht und anspricht, wird der Partner verteidigt oder eher das eigene Verhalten in Frage gestellt, als sich mit einer Trennung zu befassen. Der Ausstieg aus einer solchen Beziehung ist nicht einfach und braucht Unterstützung. Verlassen zu werden bedeutet für narzisstische Personen oft die grösstmögliche Kränkung, was nochmals zu heftigen Reaktionen führen kann.
Deshalb braucht es zunächst kleine Schritte zurück in die Eigenständigkeit des sich lösenden Parts, bevor eine definitive Ablösung möglich ist. Aus jahrelangen Beziehungs- und Verhaltensmustern auszusteigen, braucht viel psychische Kraft. Therapeutische Begleitung ist in diesem Prozess sicher hilfreich.

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Ratgeber Psychologie 39 – 2024

Ladina Waldmeier
M. Sc. Psychologin FSP
Oekum. Paarberatung Bezirke Brugg Laufenburg Rheinfelden
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Psychische Erkrankungen in der Partnerschaft
Nach aktuellen Zahlen fühlen sich rund 38 Prozent der Schweizer Bevölkerung mittel bis stark psychisch belastet. Gemäss einem Bericht der Gesundheitsförderung Schweiz wird deutlich, dass bezüglich Inanspruchnahme von Informations- und Unterstützungsangeboten bei psychischen Problemen der Partner bzw. die Partnerin oder enge Familienangehörige mit 47 Prozent, die meistgenannte Unterstützungsgruppe darstellen. Dies zeigt, dass neben den Betroffenen auch viele Angehörige und Partnerschaften mit der Thematik psychischer Belastungen konfrontiert sind. Für die meisten Paare gehört es dazu, insbesondere in schwierigen Zeiten füreinander da zu sein. Sich gegenseitig zu unterstützen und dem Partner zur Seite zu stehen, betrachten viele als zentrales Element der Beziehung und deuten dies als Zeichen für eine Stärke der gegenseitigen Liebe. Bei körperlichen Erkrankungen ist es selbstverständlich, sich neben der Fürsorge und Liebe der Angehörigen eine/n Spezialisten/in für die Behandlung dazuzuholen. Was passiert aber, wenn sich jemand erschöpft, traurig, oder emotionslos fühlt? Wenn jemand unter Ängsten leidet? Emotionen und Gefühle gehören zur Liebe und Partnerschaft. Man betrachtet es als Aufgabe der Beziehung dafür zu sorgen, dass es dem Partner bzw. der Partnerin emotional gut geht. Die Grenzen zwischen dem Befinden in der Partnerschaft und dem eigenen Sein verschwimmen oftmals. Vielleicht auch aus der Erwartung oder Hoffnung heraus, dass das «Wir» die Schwierigkeiten des Einzelnen lösen kann. Man möchte die betroffene Person mit dem «Wir» unterstützen und gibt vielleicht gut gemeinte Ratschläge, offenbart, was einem selbst guttut und hilft. Die Ratschläge können von den Betroffenen jedoch oft (noch) nicht angenommen oder umgesetzt werden. Die Partner werden dadurch oft zunehmend enttäuscht und fühlen sich hilflos. Es entsteht ein gegenseitiges Gefühl, sich nicht gehört oder verstanden zu fühlen. Psychische Erkrankungen gehören zum menschlichen Sein genauso, wie körperliche Beschwerden und dennoch werden Lösungen in den eigenen vier Wänden gesucht. Die Verantwortung für das Wohl der erkrankten Person wird übernommen oder aus Loyalität im Stillen mitgetragen. Dies wirkt sich unweigerlich auf die Partnerschaftsebene aus. Aus einer Zweierbeziehung wird eine Dreiecksbeziehung, welche sich um die Erkrankung und die entsprechende Symptomatik dreht. Ist es vielleicht die Angst vor der Bewertung anderer? Eine strenge Interpretation von «in guten, wie in schlechten Zeiten»? Oder ist es die eigene Bewertung, wenn man für den Partner nicht alles tut? Die Gründe, weshalb es nicht immer leichtfällt, sich bei psychischen Erkrankungen extern professionelle Hilfe zu holen, sind individuell vielfältig und gilt es zu würdigen. Was sich aber immer wieder zeigt ist, dass dadurch auch die Partnerschaft belastet wird. Einerseits durch die Erkrankung selbst, aber auch durch die Verstrickungen beim Versuch, Partner und Behandler gleichzeitig zu sein. Als Angehörige von Erkrankten können Sie als Ressource mit Ihrer Liebe und Anteilnahme einen wertvollen Beitrag zur Genesung und Aufrechterhaltung der psychischen Gesundheit beitragen. Sie können auch im Rahmen von gemeinsamen geleiteten Therapiesitzungen herausfinden, wie genau und womit die erkrankte Person unterstützt werden kann. Bringen Sie sich gezielt ein, aber bürden Sie sich nicht selbst einen Behandlungsauftrag auf. Oder erwarten Sie von sich etwa, einen gebrochenen Fuss richtig zu schienen, damit dieser heilen kann? Psychische Erkrankungen gründen in komplexen Prozessen, die es achtsam zu ergründen und kennenzulernen gilt, um daraus Veränderungspotentiale entwickeln zu können. Dies ist der Kern psychologischer Psychotherapie. Seit rund zwei Jahren wird diese nach Anordnung durch den Hausarzt auch von der Grundversicherung übernommen. Wir freuen uns, Ihnen dieses Angebot, neben der Paarberatung und Einzelberatung, in den kommenden Monaten ebenfalls anbieten zu können.

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Ratgeber Psychologie 33– 2024

Cora Burgdorfer
dipl. Psychologin
Oekum. Paarberatung Bezirke Brugg Laufenburg Rheinfelden
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Emotionen am Arbeitsplatz
Wie fühlen Sie sich bei der Arbeit? Wie geht es Ihnen am Sonntagabend, wenn die neue Arbeitswoche bevorsteht? Schlafen Sie gut?
Etwa einen Drittel unserer Lebenszeit verbringen wir am Arbeitsplatz und erleben hier, wenn alles rund läuft, Freude, Selbstwirksamkeit und Anerkennung. Leider erleben aber viele Arbeitnehmende eine angespannte Situation, und oft entstehen dabei auch zwischenmenschliche Verletzungen. Wir fühlen uns übersehen, nicht wahrgenommen oder nicht wertgeschätzt. Da wir professionell erscheinen wollen, vermeiden wir es, diesen Gefühlen Ausdruck zu verschaffen. Wir schlucken lieber einmal mehr den Frust hinunter, als das offene Gespräch zu suchen. Die Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, sitzt tief. Zudem herrscht in den meisten Firmen der Glaube, dass sich Menschen «sachlich» und emotionslos zu verhalten haben, und sich jederzeit unter Kontrolle haben müssen. In Unternehmen, die sehr leistungsorientiert sind, herrscht eine Atmosphäre des Wettbewerbs und der Coolness. Dies führt dazu, dass viele Menschen am Arbeitsplatz eine Maske tragen, und nicht zeigen, was sie wirklich fühlen. Ihr wahres Wesen können sie nur zu Hause, in vertrauensvollen Beziehungen, zeigen. Oft sind aber auch Partnerinnen und Partner am Abend müde und haben keine Kapazität, richtig zuzuhören. Und eigentlich müssten die Probleme ja auch da gelöst werden, wo sie entstehen.
Wie wäre es also, wenn wir uns am Arbeitsplatz ehrlich zeigen könnten? Wie wäre es, über Fehler und Überforderung offen reden zu dürfen? Wenn in der Firma oder in der Organisation eine Atmosphäre des Vertrauens spürbar ist, können auch schwierige Gefühle ausgesprochen werden. Um einen solchen Raum zu schaffen, braucht es sichere Strukturen. Wie z.B. die Sicherheit, dass, was in diesem Raum ausgesprochen wird, auch in diesem Raum bleibt. Es braucht auch Zeit, und dies ist heute eine knappe Ressource. Für viele Vorgesetzte ist es nicht einfach, daran zu glauben, dass eine solche Vertrauenskultur langfristig gut investiertes Personalmanagement ist. Und Mitarbeiter brauchen Mut und Vertrauen sich zu öffnen. Sich verletzlich zu zeigen, birgt immer auch das Risiko, dass die Informationen gegen einen verwendet werden könnten. Viele Menschen befürchten, dass sie beim Zeigen von Gefühlen, wie Überforderung, Angst, Unsicherheit, die Kontrolle verlieren. Hier kommt es auf die Fähigkeit an, sich selbst regulieren zu können und die richtige Dosierung zu finden. Es geht nicht darum, ein Drama zu inszenieren, sondern gemeinsam Lösungen zu finden. Dies kann aber nur über ehrliche Kommunikation in die Wege geleitet werden.
2023 litten in der Schweiz 17 % der Schweizer Bevölkerung an einer Burnout-Symptomatik. Wie viele dieser Zusammenbrüche hätten den Menschen erspart bleiben können, wenn sie frühzeitig ernst genommen worden wären? Wenn jemand da gewesen wäre und ein offenes Ohr gehabt hätte. Die meisten Menschen, die in eine Burnout-Klinik eingewiesen werden, lernen besser und schneller auf ihre Gefühle zu achten und schneller «Stopp!» zu sagen. Klienten, die nach dem Zusammenbruch zu uns in die Therapie kommen, betonen, wie wichtig es gewesen wäre, sie hätten eine Ansprechperson gehabt. Sie fühlten sich allein gelassen.
Die Gefühlsvermeidung funktioniert nur so lange, bis der letzte Tropfen das Fass zum Überlaufen bringt. Beugen Sie vor und seien Sie mutig! Trauen Sie sich, über Ihre Gefühle zu sprechen. Wir unterstützen Sie gerne dabei.

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Ratgeber Psychologie 27 – 2024

Ladina Waldmeier
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Nudging – Stupsen
Wir Menschen treffen pro Tag etwa 20 000 Entscheidungen. Wenn wir die Schlafenszeit abziehen, treffen wir im Schnitt alle drei Sekunden eine Entscheidung. Dies ist eine beachtliche Leistung. Gerne glauben wir von uns selbst, dass wir unsere Entscheidungen basierend auf rationalen Überlegungen treffen. Insbesondere in unseren Breitengraden werden rationalen Entscheidungen eine höhere Qualität zugesprochen. Sie gelten als die besseren Entscheidungen. Aber ist es wirklich realistisch, dass wir alle drei Sekunden eine bewusste, rational abgewogene Entscheidung treffen? – wohl kaum. Würden wir dies tatsächlich können oder tun, wären wir derart überlastet, dass wir den Alltag nicht bewältigen könnten. Wir verfügen also über eine Vielzahl unwillkürlicher und unbewusster Prozesse für die Entscheidungsfindung. Diese werden durch Informationsquellen aus Emotionen, Körperempfindungen oder unserem impliziten Gedächtnis, welches unser erlerntes Wissen wie Fertigkeiten, Gewohnheiten oder Verhaltensweisen speichert, genährt. Basierend auf diesem Wissen werden zahlreiche Entscheidungen getroffen, ohne dass wir uns derer überhaupt bewusst sind. Wir treffen somit auch eine Vielzahl «unvernünftiger» Entscheidungen. Darunter verstehen wir jene Entscheidungen, welche nicht für uns selbst oder die Gesellschaft gut sind. Ein Abend mit Chips vor dem Fernseher könnte dafür ein Beispiel sein. Auch wenn es rational betrachtet, «vernünftigere» Entscheidungen gibt, ist dieses Verhalten sehr verbreitet. Eine mögliche Erklärung dafür ist der Anker-Effekt: Wenn wir uns auf dem Heimweg nach der Arbeit vorgenommen haben, noch einen Spaziergang zu machen, und wir unterwegs vielleicht den einen oder anderen TV-Bildschirm flackern sehen, wird diese Wahrnehmung als mögliche Abendbeschäftigung, als «Anker», gespeichert. Zu Hause angekommen setzen wir uns erst mal vor den Fernseher. Ein anderer Effekt ist der Bestätigungsfehler: Wenn wir eine vorgefertigte Meinung haben («es schauen alle Menschen abends TV») orientiert sich unser Gehirn daran und wir nehmen mehrheitlich Informationen wahr, welche diese Meinung auch bestätigen.
«Nudging» oder zu Deutsch «sanftes Stupsen» ist ein Konzept der Wirtschaft- und Rechtswissenschaftler Richard Thaler und Cass Sunstein, welche diesen Entscheidungsprozess beeinflussen wollen. Hierbei geht es darum, ein Verhalten bzw. eine Entscheidung zieldienlich zum Wohle der betroffenen Person zu verändern, ohne dabei auf Regeln oder Verbote zurückgreifen zu müssen. Eindrücklich dabei ist insbesondere, dass dieses sanfte Stupsen eine Veränderung oftmals effektiver beeinflussen kann als strikte Richtlinien.
Werfen Sie doch mit diesem Wissen, mal einen Blick auf Ihre Beziehungen oder Partnerschaft. Wo stupsen Sie einen geliebten Menschen sanft hin zu einer etwas anderen Entscheidung? Gibt es vielleicht vor dem Essen einen Salat, weil der Partner/die Partnerin doch gesund essen soll und dies eher macht, wenn der Salat schon auf dem Tisch steht? Wo könnte allenfalls ein kleiner Schubs hilfreicher sein als Vorschriften? Und wo hilft es Ihnen selbst? Ist die Sporttasche schon am Vorabend gepackt, damit Sie diese am Morgen einfach mitnehmen und zum Sport gehen? Gibt es vielleicht auch Stupser, welche Sie bewusst weglassen und die geliebte Person wieder die «Unvernunft» ihrer Entscheidungen ausleben lassen wollen?
Es ist ein Thema, das zum Gespräch einladen soll, bei dem es kein Richtig oder Falsch gibt. Aber vielleicht lohnt es sich, in der Paarbeziehung nochmals genauer hinzuschauen, zu klären und sich vielleicht auch zu bedanken für die gegenseitigen, wohlgemeinten Stupser.

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